Dr. Sabine Heilig, Ausschnitt aus der Einführungsrede zur Ausstellung SIE 2016

Anna Maria Moll (geb. 1948 in Jülich/NRW) hat mit ihren Papierschnitten einen Weg zwischen Malerei und Zeichnung gefunden. Seit 1999 lebt und arbeitet die Künstlerin in Dornstadt im Nordries. Ihre Papierschnitte, das sind aus einem Stück mit dem Cutter herausgeschnittene und nachträglich mit schwarzer Acrylfarbe geschwärzte Papiere. Anna Maria Moll spielt darin meisterhaft mit ausgeschnittener Form und stehengelassener Fläche.

Aus der Serie der Fensterbilder zeigt sie hier in der Schranne das Motiv „Lichteinfall“ (2016). Es ist ein in mehreren Perspektiven verschränkter Blick aus dem Fenster in die bewachsene Landschaft. Innen und Außen, Vorne und Hinten, Linie und Fläche, Material und Leere erlauben ein Wechselspiel von visuellen Eindrücken. Das Aufeinandertreffen von Schwarz und Weiß treibt im Kontrast ein räumliches Spiel mit dem optischen Vor-und Zurückspringen von Bildteilen. Zugleich erzeugt die vorgestellte Lichtsituation in diesen Bildern ein Flimmern und Brechen des Lichts, unterstützt von der Wirkung der unterschiedlichen Rasterungen im Bild.

In ihren Motiven von der Lindenallee am Jagdschloss Hirschbrunn macht Anna Maria Moll die Faszination pflanzlicher Strukturen, das Geäst der Bäume, sichtbar. Dabei hat sie die Wirkung des klassischen Scherenschnitts (schwarz auf weiß) umgedreht. So wurden von ihr zwei verschiedene Schnitte übereinandergelegt und zwar ein Weißschnitt auf Schwarz, um den Charakter dieser besonderen Baumallee zu verdeutlichen („Vermessen-Lindenallee 3/4“). Teilweise bleibt in dieser Papierschnitt-Serie auch noch das mit Bleistift gezeichnete Raster und die Baumvorzeichnung erhalten, um den Gedanken der „Vermessung“, einem Berechnen oder Bestimmen, zu betonen. Das Übereinanderlegen von Papierschnitten orientiert sich an der Eigenart einer Allee, an der Staffelung und rhythmischen Abfolge von Bäumen.

Die Künstlerin Anna Maria Moll zeichnet ein subtiles Gespür für räumliche Phänomene aus. In ihrem Werk erhalten Natur und Gebautes einen völlig neuen Ausdruckswert.

© Dr. Sabine Heilig, Nördlingen, im April 2016
Ausschnitt aus der Rede zur Ausstellungseröffnung der Gemeinschaftsausstellung SIE die Dritte in Nördlingen



Wolfgang Mennel M.A. zur Preisverleihung in Krumbach 2014

Musterbogen 10 ist Teil einer Serie von Scherenschnitten, die Anna Maria Moll seit 2011 angefertigt hat.
Ein Musterbogen ist gewöhnlich die Vorlage für eine Vervielfaltigung, ein Hilfsmittel zur Reproduktion identischer Formen. Anna Maria Molls Scherenschnitte sind ganz anders: höchst aufwendig und zeitintensiv ausgearbeitete Unikate, keine Vorlage, sondern Original.

Das Bild im Format 100 x 100cm erscheint ruhig und statisch, dabei ist gerade das Quadrat natürlich eine besonders künstlerische Form des Rechtecks. Das Kunstformat erlaubt einen Ausblick hinaus in die Welt. Der Blick ist allerdings kein beliebiger aus einem Fenster, kein zufälliger Augenblick, kein Schnappschuß, sondern eine konzentrierte Eroberung der Aussicht. Ausgehend von einem Quadratmeter Schwarz schafft sich die Künstlerin mit jedem Schnitt ein wenig mehr Durchsicht, findet ein wenig mehr Form, sie gestaltet ihren Ausblick. Der Betrachter sieht nur das Endprodukt aller Arbeitsschritte: das, was bleibt, wenn alles Überflüssige eliminiert ist.

Vielleicht erinnert der Musterbogen uns an die Häkeldeckchen von einst: eine Fleißarbeit, für Frauen reserviert, deren Möglichkeit der gesellschaftlichen Mitgestaltung ein- und auf Heimarbeit beschränkt war. Anna Maria Moll definiert den Begriff der Heimarbeit neu, als Durchbruch nach draußen. Wir meinen, aus einem Fenster zu sehen, ein Kunstfenster hinaus in die Welt. Vor unseren Augen entfaltet sich ein formenreiches Gewirr von exakten und floralen Linien und Formen, von illustrativen und abstrakten Rastern, eine eigene, schöne Welt, die lange auf eine Entdeckerin gewartet hat, die sie endlich aus dem Schwarzen befreien konnte.

Wolfgang Mennel M.A.
Einführungsrede zum Kunstpreis der Stadt Krumbach 2014

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