Einführungsvortrag zur Ausstellung im FrauenMuseum Wiesbaden 2013

Die Reihe „La Rose“ verdankt ihre Entstehung der eher nachlässigen und überheblichen Berichterstattung unserer Tageszeitung über die Frauenfußballweltmeisterschaft 2011.
Ich wollte mit meiner Arbeit dagegen halten, eine andere Art von Botschaft transportieren: den Wandel der Frauenrolle in unserer Gesellschaft zeigen, heute und früher verbinden: so bot sich die alte Rose an, die schon immer herhalten musste als Symbol der Weiblichkeit, jetzt hier in meinen Bildern in ihrer ständigen Wiederholung im Sinne Gertrude Steins zum schützenden Rahmen wird.

Die Filethäkeldecke mit dem Rosenmuster ist Hintergrund, Spielwiese, Tummelplatz, aber auch Begrenzung, ihre Maschen sind mal weit, mal eng, auch die Form der Rose variiert in ihren Positionen, ihrer Gestalt, wendet sich, dreht sich, wirkt statisch oder beweglich, manchmal auch zerstört und aufgebrochen; entspricht der Figur, die sich im Muster bewegt.
Im Gegensatz zum Muster, das als strenges Zentimeter-Raster geschnitten ist, ist die Figur frei, die Konturen rund.
Innenlinien sind schablonenartig ausgeschnitten.
Bis auf zwei Ausnahmen fehlt der Ball, das Hauptgewicht soll auf der kraftvollen Frauengestalt liegen.
Auch die individuelle Wiedererkennbarkeit der Fuflballerinnen ist für mich Nebensache, bei einigen habe ich bewußt das Gesicht leicht verändert, da es mir nicht um das Porträt einer bestimmten Spielerin geht.

Etwas aus der Rolle fällt die Spielerin mit dem Vogel, sie heißt bei mir die Romantische, das Bild ist ein Experiment mit zwei sich überlagernden Mustern, Rosen in verschiedenen Hell-Dunkelwerten und einem alten floralen Wand-Muster in dem Haus, in dem ich wohne. Auch der Vogel hat eine Geschichte. hier fließt meine Begeisterung ein für ein Projekt des Naturschutzes, eine Ibisart wieder in Bayern anzusiedeln, also ein sehr persönliches Bild.

Nun kurz zum Scherenschnitt und meiner Arbeitsweise:

Der Scherenschnitt hat ja eine lange Geschichte, in Nordchina fand man den ältesten Scherenschnitt aus dem 6. Jhd. n. Chr.
Im 16. Jhd. entstand zunächst in Deutschland und der Schweiz eine Scherenschnitt-Tradition. In Frankreich forderte 1759 nach dem siebenjährigen Krieg der Finanzminister Silhouette die Bevölkerung auf, anstelle teurer Porträts die billigeren Scherenschnitte als Schattenriss anfertigen zu lassen. Während der Goethezeit und des 19.Jhds. waren die Scherenschnitte sehr beliebt, in den 1980er Jahren gab es ein Comeback in der Schweiz.
Erwähnen möchte ich in diesem Zusammenhang die Scheren-und Papierschnitte von Henry Matisse, dann die deutsche Scherenschnittkünstlerin Lotte Reiniger (1899 - 1981), die nicht nur unzählige Illustrationen geschaffen hat, sondern auch Schattenspiele und Silhouettentrickfilme erfunden hat.
Während in früheren Zeiten der Scherenschnitt eher als Handwerk galt, für Illustrationen literarischer und biblischer Texte sowie Märchen und Sagen benutzt wurde, nehmen zeitgenössische KünstlerInnen diese Technik wieder auf für ihre eigenen künstlerischen Aussagen: hier zu nennen ist die Leipziger Künstlerin Annette Schröter und die amerikanische Künstlerin Kara Walker, die riesige, zunächst sehr idyllisch scheinende Scherenschnitte schafft, die sich dann aber als harte Auseinandersetzungen mit den Schattenseiten der amerikanischen Geschichte und Kultur herausstellen.

Ich selbst bin mit Scherenschnitten in der Grundschule in Kontakt gekommen durch die zauberhaften Märchenfilme von Lotte Reiniger.
Ich bin Grafikerin, Zeichnerin, habe jahrelang archäologische Funde und auch Befunde gezeichnet, habe auch als Malerin gearbeitet, bin aber wieder zur Grafik zurückgekehrt.
Für meine figurative Malerei habe ich mir in der Vorbereitung Schablonen aus Papier gefertigt, die ich dann vor drei Jahren für eine Einzelausstellung aus der Schublade holte.
Das war praktisch der Anfang meiner Papierschnitte: aus einem Stück geschnittene filigrane Papiergewebe.

Zunächst entsteht eine Vorzeichnung: Raster, Figur, Muster. Das Muster kann sich im Laufe des Arbeitsprozesses noch verändern.
Geschnitten wird im weißen Papier (mit dem Messer, Cutter; selten mit der Schere). So sieht das Stück erst mal aus wie eine Spitzendecke. Dann wird es beidseitig mit schwarzer Acrylfarbe mehrmals eingestrichen, dadurch wird das Gebilde sehr widerstandsfähig und flexibel, kleinere Korrekturen sind möglich. Dieser gesamte Weg - von der ersten Idee über die Rasterzeichnung zum fertigen Schnitt ist mir auch wegen der handwerklichen Arbeit sehr wichtig. (Und gegen Langeweile gibt es gute Hörspiele und auch Fuflballspielübertragungen).

Es ist immer wieder spannend, eine in weiß geschnittene Arbeit dann in schwarz zu sehen, oft weiß ich erst, ob sie gelungen ist, wenn sie an der Wäscheleine zum Trocknen hängt.

Anna Moll
Ausstellung La Rose im Frauen Museum Wiesbaden
Vernissage 13.4.13



Katalog zur Preisverleihung Marktoberdorf 2011

Anna Maria Molls Arbeiten spielen mit traditionellen Rollenklischees. Als Vorlage für den Hintergrund der Werkserie „La Rose“ dient ihr ein aus dem letzten Jahrhundert stammendes Filethäkelmuster mit Rosenmotiv. Darauf setzt die Künstlerin bildbestimmend eine energische Frauenfigur, eine Fußballerin. Der bewusst gewählte Kontrast einer modernen jungen Sportlerin, die sich in der Männerdomäne Fußball behauptet, und einer typisch anerkannten Frauenarbeit des letzten Jahrhunderts, machen den Reiz dieser Arbeiten aus. Inspiriert haben Anna Maria Moll die Frauenfußball- Weltmeisterschaft in Deutschland als auch die „Muster“ vergangener Frauengenerationen.

Die handwerklich-technisch perfekte Ausführung als auch das schlüssige Konzept und die Auseinandersetzung mit tagesaktuellen Themen haben die Jury überzeugt.

Maya Heckelmann M.A.
Katalog der 33. Ostallgäuer Kunstausstellung Marktoberdorf

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